Kinder entdecken die Welt für sich: Jeder Tag gleicht einer spannenden Erkundungstour. So lernen die Mädchen und Jungen fleißig dazu. Damit sie den Mut finden können, ihre Umwelt zu erforschen, müssen sich die Kinder auf eine feste Beziehung stützen können. Die Bindung zu einer Bezugsperson erlaubt es ihnen, Unbekanntes kennenzulernen und sich aus ihrer Komfortzone zu trauen. In der Kita sind die Mädchen und Jungen meist zum ersten Mal von ihren Eltern getrennt. Das erfordert nicht nur eine günstige Beziehung zu den Eltern, sondern auch zur jeweiligen Bezugsperson vor Ort. Eine emotionale Bindung zu Kindern lässt sich auf unterschiedliche Weise aufbauen und stärken.
Die wohl wichtigste Bindung für jedes Kind ist zunächst die zur Mutter beziehungsweise zum Vater. Mit den Eltern erleben die Mädchen und Jungen als Säuglinge und Kleinkinder ihre ersten Lebensjahre. Die Erwachsenen bringen ihnen erstes Wissen und erste Fertigkeiten bei. Sie zeigen ihnen, wie die Welt funktioniert. Gleichzeitig stellen die Eltern auch einen sicheren Hafen für die Kinder dar: Sie sind immer da und begleiten sie durch verschiedenste und teilweise schwierige Situationen.
Das Band zwischen Kind und Eltern ist auch für Erzieher und pädagogische Fachkräfte relevant. In Abhängigkeit von der Beziehung zwischen den Erwachsenen und den Kindern entscheidet sich, wie der Umgang der Betreuer mit dem Kind aussieht. Die Bindung zwischen den Kindern und ihren Eltern beeinflusst beispielsweise, ob und wie die Mädchen und Jungen sich nach außen wenden und sich für ihre Umwelt interessieren. Die Beziehung prägt auch das Bindungsverhalten gegenüber anderen Personen.
Kann das Kind alleine sein beziehungsweise kann die Bezugsperson den Raum verlassen, ohne dass die Situation ausartet? Lässt sich der oder die Kleine auch von dem Erzieher oder der Erzieherin beruhigen? Diese Fragen sind nicht nur für die Eingewöhnung, sondern auch für den weiteren Umgang mit dem Kind in der Kita wichtig. Sie beeinflussen unter anderem, wie sich das Verhältnis zwischen Eltern, Kindern und Betreuer entwickelt.
Wenn das Kind auf die Welt kommt, ist es zunächst offen für jede Beziehung. Natürlich ist die Mutter des Kindes in den meisten Fällen die erste Person, die mit dem kleinen Menschen in Kontakt kommt. Die Nähe, die aus der Mutter-Kind-Beziehung entsteht, führt dann zu einer engen Bindung. Genannt werden die Verhältnisse zwischen Mutter und Kind beziehungsweise Vater und Kind Beziehungsbindungen. Sie zeichnen sich im Idealfall vor allem durch günstige Reaktionen der Eltern aus: Die Erwachsenen reagieren prompt und feinfühlig auf die Bedürfnisse ihres Kindes. Das Baby erhält dadurch Rückmeldung und merkt, dass diese Personen auf seine Handlungen reagieren.
Die Zuwendung und die Nähe, die das Kind dadurch erfährt, geben ihm Sicherheit. So trauen sich die Mädchen und Jungen zum Beispiel, die Welt zu erkunden und auf andere Kinder zuzugehen. Um auf die Bedürfnisse und Wünsche ihres Kindes eingehen zu können, lernen Eltern nach der Geburt ihres Kindes zunächst, seine Sprache zu verstehen. Genauso müssen auch Erzieher und Fachkräfte im Kindergarten zuerst herausfinden, wie jedes Kind seine Gefühle und Forderungen äußert. Damit auch die Betreuer zu Bezugspersonen für die Kinder werden, muss sich zunächst eine sichere Beziehung entwickeln.
Um ihm ein Gefühl der Sicherheit vermitteln zu können, müssen Sie das Kind genauer beobachten. Wobei brauchen die Mädchen und Jungen Hilfe? In welchen Situationen wollen sie den Schutz eines Erwachsenen? Wenn Sie diese Eigenschaften der Mädchen und Jungen näher kennengelernt haben, gelingt es besser, den Kindern genau die Reaktionen zu vermitteln, die sie situationsabhängig brauchen.
In der Entwicklungspsychologie wird zwischen verschiedenen Bindungsarten unterschieden. Wissenschaftler wie John Bowbly oder Mary Ainsworth definierten dabei unterschiedliche Typen von Beziehungen. In ihren Beobachtungen legten sie den Fokus auf das Bindungsverhalten von Kindern und entwickelten daraus eine Bindungstheorie. Für die Beschreibung der einzelnen Bindungstypen spielte vor allem das Explorationsverhalten der Mädchen und Jungen eine wichtige Rolle. Sprich: Wie erkundungsfreudig sind die Kinder und wie geneigt sind sie dazu, ihre Umgebung selbstständig zu entdecken.
In Abhängigkeit von der Reaktion der Kinder auf das Fehlen der Mutter, ihre Rückkehr oder das Auftauchen eines Fremden während der Untersuchung, wurden die Mädchen und Jungen unterschiedlichen Typen zugeordnet. Die Beobachtungen gaben Aufschluss über das Band zwischen Mutter und Kind.
Dabei ergaben sich aus den Betrachtungen von Ainsworth vier verschiedene Bindungstypen:
Diese Formen der Bindung weisen darauf hin, wie unterschiedlich die Kleinkinder jeweils auf das Fehlen der Mutter reagieren. Die Reaktion des Kindes hängt vor allem mit seinen Erwartungen zusammen. Weiß das Kind, dass seine Mutter jederzeit verfügbar ist und auf seine Bedürfnisse reagiert, fühlt es sich sicher in seinen Bindungsbeziehungen. Die Mutter zeigt Feinfühligkeit für die Gefühlslage des Kindes und bestärkt es so in seinem Handeln.
Die Unsicher-vermeidende Bindung zeichnet sich vor allem durch Zurückweisung aus. Das Kind reagiert weder auf die Trennung von der Mutter noch auf ihre Rückkehr. Die Bezugsperson wird im Gegenteil eher ignoriert. Häufig ist der Grund für eine unsicher-vermeidende Bindung, dass die Mutter Körperkontakt meidet, das Kind eher zurückweist oder oft ärgerlich auf das Kleine reagiert.
Die Bindungstheorie nach Ainsworth definiert außerdem eine unsicher-ambivalente und eine desorganisierte Bindung. Während Kinder mit ambivalenter Bindung ihre Umwelt in jeder Situation wenig erforschen und auf ihre Bezugsperson fixiert sind, zeigen Kleinkinder mit desorganisierter Bindung häufig widersprüchliches Verhalten. Ihnen fehlen jegliche Struktur und jede Sicherheit. Aus diesem Grund sind die Mädchen und Jungen häufig gestresst und machen sich durch auffällige Verhaltensweisen bemerkbar.
Die Bindungstheorien von Bowbly und Ainsworth zeigen, wie unterschiedlich sich Kinder in verschiedenen Situationen verhalten. Erzieher und pädagogische Fachkräfte müssen auf diese individuellen Verhaltensweisen und Merkmale eingehen. Nur so besteht die Möglichkeit, eine Bindung zu den Kindern aufzubauen und ihr individuelles Bindungsverhalten zu verstehen.
Wie die Eltern der Mädchen und Jungen muss auch die jeweilige Betreuungsperson zunächst Vertrauen aufbauen. Dieses Vertrauen entsteht durch Zuwendung und Feinfühligkeit. Als Säuglinge genügt den Kindern die Beziehung zu ihrer Mutter beziehungsweise gegebenenfalls die Bindung zum Vater. Erst als Kleinkinder orientieren sie sich auch an anderen Personen. Um das Vertrauen der Kinder zu gewinnen, ist besonders die Anfangsphase wichtig. Die Entwicklung einer sicheren Beziehung zwischen Kind und Betreuungsperson sollte deswegen schrittweise verlaufen. Das Kind darf nicht zu schnell mit der Trennung von den Eltern konfrontiert werden.
Betreuungspersonen im Kindergarten müssen deshalb geduldig sein. Nicht nur mit den Mädchen und Jungen, sondern auch mit deren Eltern. Viele Mütter und Väter geben ihr Kind zum ersten Mal in die Hände anderer. Begegnen Sie den Familien deshalb offen und sensibel. So erkennen Sie außerdem schnell, welche Bedürfnisse das Kind mitbringt und auf welche Verhaltensweisen Sie besonders achten müssen. Der Bildungsbereich und das Entwicklungsziel ist erreicht, wenn eine sichere Beziehung gelingt, auf das Kind eingegangen wird und ihm ein Gefühl der Sicherheit vermitteln werden kann.
Auch hier spielt Feinfühligkeit eine wesentliche Rolle. Im Umgang mit Kindern bedeutet Feingefühl vor allem, dass Sie aufmerksam beobachten. Nicht jedes Kind wird laut, wenn es etwas braucht. Einige Kinder bleiben eher ruhig und drücken ihre Bedürfnisse vielleicht sogar durch Schweigen aus. Trotzdem ist eine Reaktion für die Mädchen und Jungen wichtig: Nur wenn sie merken, dass sie gehört und verstanden werden, bauen sie das nötige Vertrauen in ihre Betreuungsperson bzw. ihre Bindungsperson auf Zeit auf.
Eine stabile Beziehung zwischen Kind und Betreuungsperson ist Grundlage für die weitere Entwicklung der Mädchen und Jungen. Wenn sich die Kleinkinder auf eine sichere Bindung verlassen können, bauen sie ihre Fähigkeiten aus und beginnen, Neues zu lernen. Verläuft die Betreuung auf einer unsicheren Basis, klammern sich die Kinder an die Bezugsperson und verschließen sich gegenüber neuen Eindrücken und wichtigen Erfahrungen.
In einem solchen Fall öffnen sich die Mädchen und Jungen ihrer Umwelt nicht, da sie stets Angst um die Bindung zu ihrer Betreuungsperson haben. Das Band zu einer Bezugserzieherin bzw. einem -erzieher gehört für die Kinder meist zu den ersten außerfamiliären Beziehungen. Sie fassen zum ersten Mal Vertrauen zu einer zunächst fremden Person. Umso wichtiger ist es, dass sie positive und förderliche Erfahrungen sammeln. Erzieher und Erzieherinnen können hier ihre Kompetenzen als Betreuungsperson nutzen: Sie können die Kinder beim Spielen, Lernen und auf ihren Erkundungstouren begleiten.
Ihre Rolle umfasst dabei einige Funktionen:
Durch die Verfügbarkeit der Erzieherin oder des Erziehers fühlen sich die Mädchen und Jungen unterstützt. Sie sind nicht allein und können im außerfamiliären Umfeld eigenständig Erfahrungen sammeln. Auch die Interaktion mit anderen Kindern wird durch eine feinfühlige Betreuung gefördert. Die Kinder haben in den meisten Fällen weniger Angst, auf andere zuzugehen, wenn sie wissen, dass sie jederzeit auf die Hilfe ihrer temporären Bindungsperson zurückgreifen können. Auf diese Weise können Sie als pädagogische Fachkraft durch Ihre Handlungen zu einer günstigen Erziehung und Förderung der Kinder beitragen.
Sein erstes Lebensjahr verbringt ein Säugling meist zusammen mit einem Elternteil zu Hause. Dabei kommt er, abgesehen von weiteren Familienmitgliedern, häufig nicht in näheren Kontakt mit anderen Kindern oder Erwachsenen. Einige Kinder kommen nach ihrem ersten Lebensjahr in eine Krippe. Für andere geht es erst mit zwei oder drei Jahren in den Kindergarten oder in die Kita.
Auf alle Fälle muss sich jedes Kind erst auf die Interaktion mit anderen Kindern einstellen. Diese Eingewöhnung in eine Gruppe fällt nicht jedem kleinen Menschen leicht. Auch hier sind unterstützende Bezugspersonen – Erzieher und Erzieherinnen und später auch Lehrer – Schlüsselfiguren. Sie übernehmen die Funktion eines Ankers, da sie in Reichweite der Kinder bleiben und ihnen in den neuen und fremden Situationen den nötigen Halt geben.
Gerade bei den ganz kleinen Kindern tragen Bezugsperson und Bindungsperson in der Krippe beziehungsweise im Kindergarten dazu bei, dass das Stressniveau der Mädchen und Jungen sinkt. Die neuen Eindrücke, der Lärm und die fremden Kinder bedeuten für die Kleinkinder zunächst Stress. Wenn dann ihre Mütter oder Väter als bisher einzige Bezugspersonen den Raum verlassen, ohne sie mitzunehmen, bringt das die Kinder durcheinander. Eine schrittweise und individuelle Eingewöhnung ist deshalb maßgebend.
Wie verhält sich das Kind, wenn die Mutter oder der Vater den Gruppenraum für eine kurze Zeit verlässt? Wie reagiert es auf die Beruhigungen der Erzieher? Anfangs ist es sinnvoll, herauszufinden wie sich das Kind fühlt, wenn es ohne Elternteil in der Gruppe bleibt. Je nachdem, wie schnell es sich an die neue Situation gewöhnt, kann die Zeit der Eingewöhnung kürzer gehalten oder über Wochen und gegebenenfalls Monate erstreckt werden. Die Mädchen und Jungen sollten zu Beginn ihrer Kita-Zeit auf keinen Fall ins kalte Wasser geworfen werden. Ein sanfter Einstieg bleibt den Kindern hingegen in positiver Erinnerung.
Während die Mädchen und Jungen die Welt aus ihrer kindlichen Perspektive betrachten, haben Eltern und Erzieher einen weiteren Blick auf die Situation. Meist erkennen die Erwachsenen, wann das Kind Angst hat oder wann es sich wohlfühlt. Die pädagogischen Fachkräfte in der Kita sollten gemeinsam mit den Eltern der Kinder entscheiden, wie die Eingewöhnung in die Kita verlaufen soll. Gemeinsam mit den Müttern und Vätern lassen sich verschiedene Faktoren klären:
Während die Erziehung der Kinder größtenteils in den Händen der Eltern liegt, tragen auch die Fachkräfte einen großen Teil der Verantwortung. Es gilt, die soziale und emotionalen Kompetenzen der Mädchen und Jungen so zu stärken, dass sie sich immer selbstständiger zurechtfinden. Die Erzieher und Erzieherinnen begleiten die Kleinkinder auf ihrem Weg, bis sie in die Schule kommen. Dabei tragen sie mit ihrer Vorbildfunktion wesentlich zu ihrer weiteren Entwicklung bei.
Machen Sie sich bewusst, dass Sie als Betreuungsperson und Bindungsperson das Vertrauen der Kinder haben. Nach einer erfolgreichen Eingewöhnung bauen die Mädchen und Jungen eine emotionale Bindung zu Ihnen auf. Sie lernen, sich jemandem anzuvertrauen, der sich für sie interessiert. Diese Beziehung erweitert auch die emotionale und soziale Kompetenz der Kinder. Gemeinsam mit den anderen Mädchen und Jungen lernen sie, ihre Emotionen zu kommunizieren, damit sie andere Menschen verstehen können. Aus diesem Grund ist die Bindung zwischen Kind und Erzieher die Basis für den Lernerfolg und die Fortschritte, die Kinder im Kindergarten machen.
Autor: Redaktion Pro Kita-Portal (2020)