Erzieherinnen und Erzieher einer Kindertagesstätte sind häufiger mit Rechtsfragen konfrontiert, als man das zunächst vermuten mag. Die neue Jacke eines Kindes ist verschwunden – muss die Kita diese ersetzen? Ein Kind ist krank und hat einen Hustensaft in der Kita dabei – darf es diesen dort einnehmen? Darf man nach der DSGVO-Verordnung noch Fotos, auf denen Kinder zu sehen sind, auf der Website des Kindergartens zeigen? Viele dieser Fragen stellen sich Erzieherinnen und Erzieher beinahe täglich. Ein Überblick über das Kita-Recht legt dar, wann pädagogische Fachkräfte im Zweifel lieber Rechtsrat einholen sollten.
Seit dem 01.08.2013 ist in § 24 SGB VIII festgehalten, dass jedes Kind ab Vollendung des ersten Lebensjahres einen Anspruch auf einen Betreuungsplatz hat. Diese Regelung existierte schon vor diesem Termin, war damals allerdings noch auf Kinder ab drei Jahren beschränkt. Der Gesetzgeber nahm die steigende Berufstätigkeit beider Elternteile zum Anlass, die Garantie eines Betreuungsplatzes schon ab dem ersten Lebensjahr einzuführen. So soll dieser Gesetzesbeschluss vor allem junge berufstätige Mütter unterstützen und entlasten.
Der genaue Anspruch auf einen Betreuungsplatz ist im Sozialgesetzbuch VIII exakt definiert. Erhalten Eltern trotz klarer Gesetzeslage keinen Betreuungsplatz für ihr Kind, kann eine Klage beim örtlich zuständigen Verwaltungsgericht eingereicht werden. Dies aber nicht gegen eine bestimmte Wunschkita, sondern gegen die Stadt, die den Kita-Platz bereithalten müsste. Bei genaueren Rechtsfragen in diesem Bereich ergibt es Sinn, einen Juristen zu konsultieren. Vor dem Verwaltungsgericht ist die Vertretung durch einen Anwalt allerdings keine Pflicht. Sie können sich selbst zu vertreten, um Kosten zu sparen. Ob dies immer ratsam ist, bleibt eine andere Frage.
Wie jedem Erzieher oder Leiter einer Kita bekannt ist, wird zu Beginn eines Betreuungsverhältnisses ein Betreuungsvertrag geschlossen. Bei Problemen oder Unstimmigkeiten zwischen Eltern und Erziehern bildet dieses Vertragswerk den rechtlichen Rahmen des Betreuungsverhältnisses. Mit der Unterzeichnung eines Betreuungsvertrags zeigen sich die Eltern mit den grundsätzlichen Werten des Trägers und dem groben Tagesablauf (zum Beispiel Beten vor dem Essen) in der Kita einverstanden. Außerdem klärt der Betreuungsvertrag insbesondere folgende Fragen:
Kündigungsfristen sind zum Beispiel ein Dauerstreitthema bei Kitaverträgen. Gehen Sie hier auf Nummer sicher und vereinbaren Sie keine längere Frist als 3 Monate (§ 309 Nr. 9 c BGB) oder am besten nur 2 Monate (BGH, Urteil vom 18.02.2016 – III ZR 126/15). Eltern, die einen Betreuungsvertrag kurzfristiger kündigen möchten, müssen dafür einen wichtigen Grund darlegen können. Das kann beispielsweise ein Umzug sein oder eklatante Mängel in der Kita.
Mit der Unterschrift unter einem Betreuungsvertrag zeigen sich die Eltern eines Kindes auch damit einverstanden, einen Teil ihrer Aufsichtspflicht an die Erzieherinnen und Erzieher der Kindertagesstätte zu übertragen. Diese Übertragung gilt jeden Tag bis zu dem Zeitpunkt, wenn die Eltern das Kind von der Kita abholen.
Die genaue Bedeutung der Aufsichtspflicht ist in § 1631 BGB festgelegt, wonach Aufsichtspflicht vor allem „die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen“ meint.
Für die Erzieherinnen und Erzieher ist das eine spannende Frage: Sie müssen also im Rahmen der Aktivitäten der Kita die Kinder vor Gefahren schützen. Das heißt, weder die Kinder selbst dürfen zu Schaden kommen, noch dürfen sie Schaden anrichten. Ist die Aufsichtspflicht nicht erfüllt, haften die Betreuer einer Kindertagesstätte auch für eventuelle Verletzungen der betreuten Kinder.
Zerstört ein Kind hingegen Gegenstände der Kita, zahlt diesen Schaden in der Regel die Haftpflichtversicherung des Trägers. In speziellen Fällen oder bei Problemen ist es allerdings sinnvoll, sich an eine Rechtsberatung mit einer Spezialisierung auf Kitarecht zu wenden.
Für Erzieherinnen und Erzieher lautet die wichtigste Frage: Wann gilt die Aufsichtspflicht eigentlich als erfüllt? Leider können selbst Rechtsanwälte diese Frage nicht immer eindeutig beantworten. Denn der Umfang der Aufgaben zur Erfüllung der Aufsichtspflicht richtet sich nach verschiedenen Faktoren, unter anderem:
Ist ein Kind also bereits gegenüber anderen Kindern auffällig oder aggressiv geworden, erhöhen sich die Maßstäbe für die Erfüllung der Aufsichtspflicht bei diesem Kind. Das bedeutet: Es kommt immer auf den Einzelfall an. Wenn ein Betreuer seiner Aufsichtspflicht nicht nachkommt, gibt es keine allgemeingültige und unspezifische Bestrafung. Im Gegenteil: Stets ist die individuelle Situation von Relevanz.
Denn auch dem Gesetzgeber ist klar, dass Kinder bereits in jungen Jahren gewisse Freiheiten brauchen, um sich zu eigenständigen Personen zu entwickeln – eine ständige Überwachung ist dafür kontraproduktiv. Kann eine Erzieherin oder ein Erzieher nachweisen, dass sie oder er seiner Aufsichtspflicht nachgekommen ist, haftet im Zweifelsfall die gesetzliche Unfallversicherung.
Kita-Leiter haben eine besondere Verantwortung gegenüber dem Träger der Einrichtung, den Mitarbeitern und nicht zuletzt den Eltern und Kindern, die Teil der Gemeinschaft sind. Um rechtliche Probleme zu vermeiden, gibt es deshalb unterschiedliche Möglichkeiten der Rechtsberatung für schwierige Fragen. Eine Option stellt ein Rechtsanwalt dar, der auf Kitarecht spezialisiert ist und die Leitung bei schwierigen Angelegenheiten unterstützen kann. Darüber hinaus gibt es viele Beratungsstellen, die gegen ein bestimmtes Entgelt Rechtsberatung fast rund um die Uhr anbieten.
Im Folgenden werden einige Möglichkeiten solcher Rechtsfragen vorgestellt. Die Antworten dienen lediglich der Orientierung. Im Zweifelsfall ist jedoch der Rat eines Juristen für die individuelle Situation vorzuziehen.
Nein. Alle Personen, die kein Sorgerecht für das Kind haben, brauchen eine Vollmacht der Sorgeberechtigten. Im Falle des Vaters muss der Kindertagesstätte eine Vollmacht der sorgeberechtigten Mutter vorliegen. Lassen Sie sich zu Beginn des Vertragsverhältnisses schriftlich geben, wer die Kinder abholen darf. Verpflichten Sie die Eltern, Ihnen Änderungen bzgl. der Abholerlaubnisse unverzüglich mitzuteilen.
Nein, das ist nicht gestattet. Nur medizinisch ausgebildete Fachkräfte dürften den Hustensaft verabreichen.
Nein, auch ein Kind hat das Recht an seinem eigenen Bild. Sie benötigen deshalb die Einverständniserklärung der Eltern, um ein Bild hochzuladen.
Grundsätzlich erklären sich die Eltern mit Unterzeichnung des Betreuungsvertrages mit den Grundsätzen des Trägers, also auch mit der Ernährung der Kinder einverstanden. Die Eltern können einen bestimmten Speiseplan in der Kita also nicht mit dem Anwalt erzwingen. Viele Kitas sind allerdings sehr offen für Anregungen in diesem Bereich und orientieren sich bereits an Ernährungsplänen der Verbraucherzentrale oder der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Bei Angelegenheiten wie diesen ist der persönliche Weg meist effektiver und vor allem günstiger als der juristische.
Eltern wollen ihr Kind selbstverständlich rund um die Uhr gut versorgt wissen. Die Qualität der Kindertagesstätten ist in Deutschland bereits sehr hoch; dennoch gibt es immer wieder rechtliche Probleme zwischen Kita und Eltern. Bei spezifischen Fragen ist es sinnvoll, sich an einen Rechtsanwalt mit Spezialisierung im Bereich Kitarecht zu wenden.
Gerade für Studierende mit Kind bieten viele Studierendenwerke eine kostenlose Rechtsberatung in bestimmten Fällen an. Diese Rechtsberatung umfasst zwar nicht die Prozessführung oder das Stellen eines Anwalts. Die Beratungsstellen sind für Studierende aber eine sehr gute kostenlose Anlaufstelle bei Fragen oder Problemen.
Für allgemeine Fragen wie die Folgenden hat die Rechtsberatung der meisten Studierendenwerke meistens ein offenes Ohr:
Möchten Studierende diesen Service wahrnehmen, ist nur ein Nachweis über die Einschreibung an der jeweiligen Hochschule von Relevanz. Gerade bei spezifischen Problemen und Fragen im Bereich der Hygiene oder der Ernährung bietet es sich ebenfalls an, die Beratungsstellen gemeinnütziger Vereine wie der Verbraucherzentrale des jeweiligen Landkreises zu nutzen.
Die Fragen zur Aufsichtspflicht von Erzieherinnen und Erziehern sind vielfältig. In den meisten Rechtsfragen steht der Träger einer Kita seinen Mitarbeitern jedoch in rechtlichen Belangen mit Rat und Tat zur Seite. Auch unterstützt dieser bei der Verwaltung in der Kita. Was aber, wenn es zum Konflikt zwischen dem Träger der Kindertagesstätte und der Erzieherin oder dem Erzieher kommt? Zum Beispiel im Falle einer Auflage für die Mitarbeiter, die die betroffenen Angestellten nicht vertreten? In diesem Fall kann ein Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt werden.
Die Prozesskostenhilfe betrifft Mitarbeiter, deren erzieltes Einkommen zu gering ist, um die Prozesskosten für die Austragung ihres juristischen Konfliktes zu decken. In diesem Fall haben Erzieherinnen und Erzieher, sofern sie keine andere Quelle der Finanzierung haben, die Möglichkeit, einen Antrag auf Prozesskostenhilfe zu stellen. Der Antrag muss vor dem zuständigen Prozessgericht gestellt werden. In der Prozesskostenhilfe sind zum einen die Gerichtskosten, zum anderen die Kosten für den Rechtsanwalt miteingeschlossen.
Der allgemeine Trend zu immer mehr Rechtsklagen und dem Lösen von Problemen über den Anwalt zwingt Kitas zu einer besseren juristischen Vorsorge. Das A und O der juristisch abgesicherten Kindertagesstätte ist ein eindeutig formulierter Betreuungsvertrag. Dieser sollte von einem Juristen gegengeprüft und regelmäßig auf seine Gesetzesaktualität gegengelesen werden.
Bei Gesetzesänderungen, wie beispielsweise der DSGVO-Verordnung, ist es auch für die Leiter einer Kita ratsam, hellhörig zu werden und gegebenenfalls nachzufragen, welche Änderungen denn für die eigene Einrichtung relevant werden. Auch die Rücksprache mit dem Träger der Kita ist bei Rechtsfragen immer empfehlenswert, um Missverständnisse zu vermeiden. In letzter Instanz sind Anwälte, die auf den Bereich Kita- und Kindergartenrecht spezialisiert sind, die beste Adresse im Falle von schwierigen Rechtsfragen oder Streitigkeiten.
Wichtig: Diese Ausführungen haben weder den Anspruch, noch die Intention, einen Rechtsrat zu erteilen.
Autor: Redaktion Pro Kita-Portal (2020)