Michael kommt auf Sie zugerannt und ruft: „Immer nimmt mir Mara die Stifte weg!“ Das ruft Saskia auf den Plan: „Wenn alle so laut sind, kann ich mich nicht konzentrieren!“ 2 Beschwerden auf einmal – Gruppenalltag, wie Sie ihn kennen. Schnell den einen Konflikt lösen, dann den anderen.
Doch nur auf den ersten Blick sind die Konflikte zwischen den Kindern gelöst, wenn Sie für eine schnelle Lösung des Streits sorgen. Je früher Sie eingreifen und je mehr Konflikte und Beschwerden der Kinder Sie lösen, desto unselbstständiger bleiben die Kinder und setzen Beschwerden als Nörgelei ein.
Werden Sie deshalb zur Mediatorin für die Kinder. Dabei beziehen Sie die Anliegen und Sichtweisen der Kinder mit ein und bauen auf ihre Lösungsvorschläge.
Mediation bedeutet wörtlich übersetzt Vermittlung. Sie stellt eine Möglichkeit dar, konstruktiv und verantwortungsvoll mit Konflikten und Beschwerden umzugehen. Angestrebt wird eine so genannte Win-win-Lösung: Es gibt keinen Verlierer, die Konfliktparteien gewinnen beide.
Treten Sie als Mediatorin auf, dann
Gliedern Sie die Mediation mit den Kindern in 5 Teile. Ausgehend vom genannten Fallbeispiel gehen Sie mit Michael in den Kreativbereich und fragen, was geschehen ist.
Michael und Mara berichten gleichzeitig ihren Standpunkt. Sie unterbrechen beide und gehen mit ihnen in eine ruhige Ecke, z. B. an den Nebentisch. Achten Sie darauf, dass alle auf Augenhöhe miteinander sprechen können, und nehmen Sie kein Kind auf den Schoß. Die Platzverteilung muss Ihre Neutralität und die Gleichberechtigung unter den Kindern deutlich machen. Beginnen Sie am besten mit den Worten: „Michael kam zu mir, weil es Streit um die Stifte gab. Ich will nicht euren Streit lösen, sondern euch jetzt helfen, dass ihr selbst eine Lösung findet.“ Vereinbaren Sie mit den Kindern im Vorfeld folgende wichtige Kommunikationsregeln:
Die Kinder benennen der Reihe nach ihren Standpunkt. Ihre Aufgabe dabei ist es, die Ansichten der Kinder zu spiegeln und wichtige Streitpunkte nochmals zu benennen. So fühlt sich jedes Kind akzeptiert, verstanden und kann, wenn nötig, Missverständnisse ausräumen.
Als Nächstes geht es um die Hintergründe der Beschwerde oder des Konfliktes und die Gefühle der Kinder. Durch aktives Zuhören und gezieltes Nachfragen können Sie herausfinden, welche Bedürfnisse und Interessen jedes Kind im Streit verfolgte. Wichtig ist eine möglichst klare Benennung der Gefühle der Kinder, wie Trauer, Wut oder Ärger. Das macht den Kindern deutlich, dass Gefühle zu jedem Konflikt gehören, und erhöht das gegenseitige Verständnis. Das ist vor allem als Vorbereitung für den nächsten Teil wichtig.
Jetzt ermutigen Sie die Kinder, Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Halten Sie sich dabei unbedingt mit eigenen Vorschlägen zurück, weil Sie sonst die neutrale Vermittlerrolle aufgeben. Diese Lösungsmöglichkeiten werden ohne Wertung gesammelt. Mit Hilfe Ihrer Moderation versuchen die Kinder nun, eine Lösungsmöglichkeit zu erarbeiten, die für alle Kinder akzeptabel ist.
Wenn die Kinder eine Lösung gefunden haben, wiederholen Sie diese noch einmal deutlich und fragen alle Beteiligten, ob sie einverstanden sind. Im oben genanten Fallbeispiel vereinbaren Mara und Michael, dass Michael nur einen Stift in die Hand nimmt, den er zum Malen braucht, und Mara so lange abwartet, falls sie dieselbe Farbe benötigt. Dann fordern Sie die Kinder auf, sich die Hand zu reichen, mit diesem deutlichen Zeichen ihren Konflikt endgültig zu beenden und zu zeigen, dass sie die Vereinbarung akzeptieren und sich auch an sie halten werden.
Wenn Sie als Mediatorin einer Beschwerde nachgehen oder einen Streit vermitteln, ist es sicher zeitaufwändiger, als selbst eine Lösung zu bieten. Doch Sie werden Folgendes erkennen:
Beschwerden und Unzufriedenheiten der Kinder haben immer einen Grund. Als Mediatorin erarbeiten Sie die Hintergründe. So stärken Sie ein konstruktives Miteinander in Ihrer Gruppe und machen Konfliktkompetenz für die Kinder erlebbar.