Literacy im Kindergarten heißt nicht nur, dass die Kinder das Lesen lernen. Vielmeher geht es um die Auseinandersetzung mit Symbolen und Buchstaben, und das langsame Ausbilden der Fähigkeit, diese in Sprache zu übersetzen. Lesen Sie hier, wie Sie die Förderung von Literacy im Kindergarten für die einzelnen Altersgruppen angehen.
Der 4-jährige Sebastian sitzt mit einem Bilderbuch in der Hand und „liest“ seiner 3-jährigen Freundin die Geschichte des Buches anhand der Bilder vor. Nicole, ein Mädchen aus Sebastians Gruppe, ist bald Schulkind und trägt seit Tagen den kleinen Spickzettel, auf den Sie ihren Namen vorgeschrieben hat, in der Hosentasche, um alle ihre Bilder unterschreiben zu können.
Diese 2 Beispiele zeigen, dass die Auseinandersetzung mit Symbolen und Schrift bereits im Kindergarten beginnt. Beziehen Sie diesen natürlichen „Schreib- und Lesehunger“ der Kinder in Ihre Literacy-Erziehung mit ein. Damit legen Sie die Grundlagen für das Lesen- und Schreibenlernen. Denn das „echte“ Lesen und Schreiben besitzt für die Kinder etwas Magisches. Mit experimenteller Freude setzen sich bereits 3-jährige Kinder mit Symbolen und Schrift auseinander.
3- bis 4-jährige Kinder „lesen“ ein Bilderbuch, indem sie die Geschichte anhand der Bilder frei erzählen. Sie sind von ihrer Lesefähigkeit überzeugt und natürlich davon, dass Erwachsene ebenso lesen. Die Kinder in diesem Alter meinen, dass Sie, wenn Sie vorlesen, genauso frei zu den Bildern erzählen wie sie selbst. Indem Kinder in Bildern lesen, haben sie tatsächlich das Grundprinzip verstanden: Das Bild steht als Symbol für eine Geschichte genauso wie die Buchstaben Symbole für Laute und daraus zusammengesetzte Wörter sind. Für die Förderung von Literacy in Ihrem Kindergarten bedeutet dies: Schauen Sie mit Kindern Bücher an, indem Sie sich von ihnen vorlesen lassen. Neben der Anregung zum freien Sprechen unterstützen Sie die Kinder darin, die Bilder im Buch selbstständig zu entschlüsseln.
Mit 4 bis 5 Jahren können die Kinder gängige Symbole und Logos benennen und damit entschlüsseln: Das gelbe „M“ steht für McDonald’s und die weiße geschwungene Schrift auf rotem Hintergrund heißt „Coca-Cola“. Die Kinder assoziieren das Logo mit einem sinntragenden Wort. Dabei wird von den Kindern noch nicht nach Buchstaben analysiert oder gelesen. Das bereits gelernte Prinzip, dass ein Bild für einen Geschichtentext steht, wird somit verfeinert: Ein Symbol steht für ein Wort.
Nutzen Sie für die Literacy-Erziehung in Ihrem Kindergartenalltag möglichst viele Symbole, und regen Sie die Kinder an, eigene Symbole zu erfinden und zu gebrauchen. Folgende Beispiele eignen sich:
Mit spätestens 5 Jahren wollen die Kinder ihren Namen selbst schreiben. Damit gelingt den Kindern der erste Schritt zur Schriftsprache. Sie erkennen in der Auseinandersetzung mit dem Schriftbild ihres Namens, dass er in verschiedene Zeichen unterteilt ist, denen jeweils ein Laut entspricht. Nach und nach entdecken die Kinder Buchstaben aus ihrem Namen in anderen Texten wieder: Erste Leseversuche beginnen. Diese Freude der Kinder an der Entdeckung von Lesen und Schreiben sollten Sie unbedingt nutzen, um spielerisch daran weiterzuarbeiten. Die Buchstaben des Namens können die Kinder beispielsweise in einer Zeitung einkreisen oder ausschneiden und zu einer „Namenscollage“ zusammenfügen. Aus Tonkarton können die Buchstaben ausgeschnitten und zu Mobiles gestaltet werden.
Eine weitere Möglichkeit ist es, mit den Kindern riesige Buchstaben aus Tonpapier auszuschneiden. So werden auf das Riesen-B alle anderen Bs aufgeklebt, die die Kinder in Zeitungen, Katalogen oder Werbung entdecken.
Viele Kinder sind bereits fasziniert von der Welt der Buchstaben. Ohne Leistungsdruck und aus sich selbst heraus wollen sie mit Buchstaben experimentieren. Beziehen Sie deshalb Buchstaben in Ihre alltägliche Literacy-Arbeit mit ein – und Sie werden die Lernfreude der Kinder dabei beobachten können.