So reagieren Sie einfühlsam und kompetent auf Kinderängste

Lenas Mutter erzählt, dass ihre Tochter nachts Angst vor dem Einschlafen und der Dunkelheit hat. Michael kommt fast jeden Morgen mit Bauchschmerzen in Ihre Einrichtung, weil er sich so schwer von seiner Mutter trennen kann. Und Carlos klammert sich während des Spaziergangs panisch an Ihrer Hand fest, wenn auf der Straße ein Hund zu sehen ist.

Diese 3 Beispiele zeigen typische Kinderängste. Sie äußern sich sehr unterschiedlich. Dabei ist Angst ein natürliches, angeborenes Signal. Sie hilft, Grenzen zu setzen, um bei Gefahren schnell reagieren zu können.

Angst gehört zur Entwicklung des Kindes

Jede kindliche Entwicklungsphase hat ihre eigene typische Erscheinungsform von Angst. Kaum ein Kind durchlebt solche Ängste nicht. Entwicklungstypische Ängste sind

  • von 0 bis 2 Jahren: Trennungsangst, Angst vor dem Verlassenwerden;
  • von 2 bis 4 Jahren: Angst vor Fantasiewesen, Dunkelheit, Gewitter, möglichen Einbrechern, Trennungsangst;
  • von 5 bis 7 Jahren: Angst vor Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Erdbeben oder Feuer, Krieg, Verletzungen, Tieren, Ängste durch Medien.

Meist „wachsen“ sich diese altersabhängigen Angstformen von allein aus, weil die Kinder Angst machende Situationen besser einschätzen lernen („Mama kommt immer wieder zurück!“) und ihr Selbstbild reift.

Ängste der Kinder beobachten und erkennen

Der Unterschied zwischen der normalen, entwicklungstypischen Angst und einer krankmachenden Angst liegt

  1. im Ausmaß der Angstreaktion: Braucht das Kind beim Einschlafen Licht im Treppenhaus oder kann es ohne Hilfe der Eltern überhaupt nicht ein- und durchschlafen?
  2. in der Intensität der Angst: Reagiert das Kind mit kurzem Herzklopfen oder Zittern und Herzrasen?
  3. und der Dauer des Auftretens: Sind die Angstreaktionen nach wenigen Wochen wieder verschwunden oder halten sie Monate an?

Angst, für deren Überwindung die Kinder Hilfe brauchen, liegt dann vor, wenn sie den Alltag des Kindes beeinträchtigt und seine Entwicklung gefährdet. Oft können die Kinder nicht über ihre Ängste sprechen. An Verhaltensauffälligkeiten wie z. B. folgenden können Sie sie dennoch erkennen:

  • Schlafstörungen
  • Körperliche Beschwerden wie Kopf- und Bauchschmerzen, unerklärliches Fieber
  • Starke Ablehnung bestimmter Gegenstände oder Personen
  • Ausweichen oder Vermeiden von subjektiv Angst machenden Situationen
  • Rückschritte in der Entwicklung

Treten einzelne oder auch mehrere dieser Auffälligkeiten auf, braucht das Kind Hilfe bei der Bewältigung seiner Angst. Was tun gegen Kinderängste? Auf vielfältige Weise können Sie das Kind stützen und ihm helfen, seine Angst zu überwinden. Zunächst ist es wichtig, dass Sie das Kind genau beobachten und die Ursache der Angst herauszufinden versuchen. Dann beginnen Sie vorsichtig, über die Angst zu sprechen: „Ich verstehe, dass du Angst hast. Diese Angst kannst du aber auch wieder verlernen. Ich will dir dabei helfen, dass deine Angst wieder vergeht.“

Geben Sie dem Kind viel Wertschätzung und Zuwendung. Berührungen oder tröstende Nähe in Form von erklärenden Worten vermitteln dem Kind Ihre beruhigende Gegenwart. Das allein kann den Körper in einen Zustand der Entspannung versetzen und die Angst mildern. Das Kind braucht  Ermutigung statt Kritik oder Strafe.

Spielerisch können Sie mit dem Kind Angst machende Alltagsszenen durchleben und „üben“. „Ich bin jetzt ein Hund und belle dich an! In meiner Hundesprache heißt das, dass ich mit dir spielen will und gestreichelt werden möchte. Kannst du mich streicheln?“ Versuchen Sie, das Kind sehr vorsichtig mit der Quelle seiner Angst zu konfrontieren. Das gibt dem Kind die Chance, solche schwierigen Situationen zu meistern, und stärkt sein Selbstbewusstsein. Ständiges Vermeiden vergrößert dagegen die Angst. „Die Dunkelheit draußen tut dir nichts. Ich nehme dich jetzt auf den Arm und wir schauen gemeinsam aus dem Fenster.“ Ihre Vorbildfunktion kann die Angst mildern, wenn das Kind Ihre Ruhe spürt. Überprüfen Sie sich dabei selbst: Haben Sie Angst vor Hunden, spürt das Kind diese Angst ohne Worte. Können Sie allerdings selbst ruhig vorbeigehen, wenn Sie einem Hund begegnen, kann das Kind von Ihnen lernen.

Sprechen Sie mit dem Kind offen über die Angst vor Krieg oder Umweltkatastrophen. Verleugnung verstärkt die Angst, denn in den Nachrichten oder den Gesprächen der Erwachsenen hört das Kind davon. Erklären Sie viel und überlegen Sie gemeinsam, wie wahrscheinlich das Eintreffen einer solchen Katastrophe ist. Hier kann deutlich werden, dass es auch um gemeinsames Aushalten von Angst und Unsicherheiten geht. Ihre Ehrlichkeit wird in jedem Fall vertrauensbildend sein.

Bei länger anhaltenden und panikartigen Ängsten braucht das Kind Hilfe von Kindertherapeuten. Das ist auch dann der Fall, wenn die liebevolle Zuwendung von Ihnen und den Eltern über mehrere Wochen keinen Erfolg zeigt. Beraten Sie die Eltern über diese Notwendigkeit. Mit Ihrer tröstenden Zuwendung kann das Kind lernen, dass sich schwierige und Angst machende Situationen meistern lassen – eine der wichtigsten Erfahrungen für das ganze Leben!