Wie Sie Kindern mit Ritualen Halt und Geborgenheit schenken

Das menschliche Leben ist ohne Rituale kaum vorstellbar: Sei es das Glas warme Milch am Morgen, das Abendgebet, das Schlaflied oder der Gutenachtkuss am Abend – vor allem Kinder brauchen Rituale. Diese Tatsache können Sie sich in Ihrer Krippe zu Nutze machen, um beispielsweise neuen Kindern die Eingewöhnung zu erleichtern oder schwierige Situationen für das Kind, z. B. eine Erkrankung, erträglicher zu gestalten.

Vorteile, die Sie durch Rituale vermitteln

Rituale sind wiederkehrende Handlungen, die immer gleich oder jedenfalls nahezu unverändert ablaufen. Sie bewirken Ruhe, Entspannung, Sicherheit, Geborgenheit, Orientierung im oft hektischen und strukturlosen Alltag. Vor allem für Kinder sind wiederkehrende Handlungen wichtig, denn sie geben ihnen Halt und einen strukturierten Tagesrhythmus. Rituale vermitteln ihnen

  • Sicherheit,
  • Orientierungshilfen,
  • Einblick in tägliche, wöchentliche oder besondere Anlässe, z. B. bei Festen und Feierlichkeiten,
  • Hilfe, sich in schwierigen Lebenslagen zurechtzufinden, z. B. bei Krankheit des Kindes,
  • rasches Bewältigen von neuen und ungewohnten Situationen, z. B. in Ablösesituationen von den Eltern oder beim Übergang in den Kindergarten.

Rituale bieten sich im Tagesablauf Ihrer Kinderkrippe an, um den Kindern vom 1. Tag an Sicherheit und Geborgenheit zu vermitteln. Nutzen Sie die folgenden Tipps, um wirkungsvolle Rituale in Ihren Tagesablauf zu integrieren.

Tipp 1: Erleichtern Sie die Eingewöhnung durch ein Abschiedsritual

Trennung und Abschied von den Eltern werden von den Kindern anfänglich als belastend und verunsichernd erlebt. Lassen Sie das Kind deshalb, wenn es von den Eltern in die Krippe gebracht wird, beim Abschied nicht allein. Nehmen Sie sich Zeit, und führen Sie gemeinsam mit dem neuen Kind und seinen Eltern ein Abschiedsritual durch, das so lange gleich bleibt, bis sich das Kind völlig bei Ihnen eingewöhnt hat:

  • Gehen Sie noch im Beisein der Eltern auf das Kind zu, sprechen Sie mit ihm über etwas Schönes, das Sie an diesem Tag unternehmen werden.
  • Sagen Sie dem Kind, dass Sie die Mutter oder den Vater jetzt zusammen verabschieden werden.
  • Nehmen Sie das Kind hoch und begleiten Sie die Eltern bis zur Tür.
  • Winken Sie gemeinsam mit dem Kind den Eltern hinterher.
  • Kehren Sie danach mit dem Kind in die Gruppe zurück.
  • Bleiben Sie noch so lange beim Kind, bis es zum Spiel gefunden hat.

Tipp 2: Helfen Sie dem Kind bei Krankheit

Immer wieder wird es in der Krippe vorkommen, dass ein Kind im Laufe des Tages erkrankt. Das Kind muss noch so lange bei Ihnen bleiben, bis die telefonisch verständigten Eltern das Kind abholen können. In dieser Zeit braucht das kranke Kind besonders viel Zuwendung und Liebe von Ihnen. Helfen Sie dem Kind durch geeignete Rituale dabei, Ruhe zu bewahren und auf die Ankunft der Eltern zu warten. Nutzen Sie dazu unterschiedliche Rituale:

  • Bringen Sie das Kind in einen separaten Raum, lassen Sie es dort jedoch nicht allein.
  • Singen oder spielen Sie dem Kind ein beruhigendes Lied vor.
  • Nutzen Sie das Kuscheltier des Kindes, das bedeutet Sicherheit.
  • Bieten Sie ihm lauwarmen Tee an.
  • Wenn das Kind Schmerzen hat, lassen Sie Seifenblasen steigen, und erklären Sie dem Kind, dass ein Teil seiner Schmerzen mit den Seifenblasen aufsteigt und wegfliegt.

Tipp 3: Geben Sie der Schlafenszeit einen Rhythmus

Gestalten Sie die Schlafenszeiten durch Rituale und wiederholte Abläufe so, dass Sie dem Kind helfen, zur Ruhe zu kommen und einzuschlafen. Ein abgedunkelter, ruhiger Raum, in dem bereits beim Betreten leise gesprochen wird, signalisiert dem Kind, dass in diesem Zimmer ein anderer Rhythmus herrscht, dass es hier besonders ruhig und besonnen zugeht. Als Rituale für die Schlafenszeit kommen folgende in Betracht:

  • Legen Sie das Kind in sein eigenes Bett, das immer am selben Platz im Schlafraum steht.
  • Gedämmtes Licht oder eine Schlafleuchte bieten im dunklen Raum eine optimale Schlafsituation.
  • Singen Sie mit dem Kind ein Einschlaflied oder spielen Sie eine vertraute Schlafmelodie vor.
  • Spielen Sie mit einer Handpuppe eine kurze Geschichte vor und lassen Sie diese Puppe „Schlaf gut“ sagen.

Tipp 4: Strukturieren Sie die Essenssituation

Die Essenssituation sollten Sie besonders harmonisch gestalten, damit das Kind erleben kann, dass diese Situation für Gemütlichkeit, Genuss und gemeinsamen Austausch steht. Ein schön gedeckter Tisch mit Platzdeckchen für jedes Kind oder mit Blumenschmuck vermittelt auch bereits Kindern im Krippenalter eine angenehme Atmosphäre. Beim Essen mit den Kindern könnten Sie beispielsweise folgendes Ritual einführen:

  • Setzen Sie sich mit mehreren Kindern zum Essen an den Tisch.
  • Sorgen Sie dafür, dass Kinder, die bereits selbstständig essen können, zusammen mit Kindern, die noch von Ihnen gefüttert werden, am Tisch sitzen.
  • Fassen Sie sich mit allen Kinder an den Händen und wünschen Sie sich einen guten Appetit. Sprechen Sie ein kurzes Tischgebet oder singen Sie ein Lied.
  • Beginnen Sie danach, gemeinsam zu essen.
  • Beschließen Sie die Mahlzeit zusammen, indem Sie die Kinder beispielsweise fragen, ob ihr Essen gut geschmeckt hat.
  • Gehen Sie nach der Mittagszeit zum nächsten Ritual über, z. B. zum Wickeln oder zum Schlafen.

Tipp 5: Gestalten Sie interessante Höhepunkte

In Ihrer Krippe gibt es im Monats- und Jahreslauf immer wieder Besonderheiten und Höhepunkte. Denken Sie beispielsweise an Feste wie Erntedankfest, Sankt Martin, Weihnachten oder Ostern, die Sie gemeinsam mit den Kindern begehen. Auch die Feier des eigenen Geburtstags ist für jedes Kind ein ganz großes Ereignis, an das es sich noch lange zurückerinnern wird.

Kinder im Krippenalter spüren bereits, dass solche Feste etwas Besonderes sind, auch wenn diese Rituale sich nicht tagtäglich wiederholen. Lassen Sie die Kinder jedoch bei den Höhepunkten und Feiern, die Sie in Ihrer Krippe begehen, gleich bleibende Handlungen erkennen, dadurch fällt den Kindern die Orientierung in solchen Situationen leichter:

  • Stellen Sie eine lange Tafel auf und decken Sie diese festlich.
  • Dekorieren Sie die Tafel mit den Kindern gemeinsam, z. B. mit vorher bei einem Spaziergang gesammeltem Naturmaterial.
  • Schmücken Sie die Kinder, wenn diese das möchten, z. B. mit Geburtstagskronen oder schönen Bändern.
  • Versammeln Sie sich mit den Kindern, und singen Sie Lieder, die zur jeweiligen Feier passen.
  • Setzen Sie sich um die Tafel und verzehren Sie mit den Kindern die zum Fest gehörenden Leckereien.

Solche Rituale geben den Kindern Ihrer Krippe einen festen Orientierungsrahmen. Damit merken die Kinder, dass die wiederkehrenden Abläufe bedeutungsvoll für ihr Leben sind, und Sie unterstützen die Kinder, indem Sie ihnen verlässliche Strukturen und Halt vermitteln.

Selbst-Test: Vermitteln Sie in Ihrer Krippe Rituale in ausreichendem Umfang?

 Ja/Nein
Kennen Sie 3 Vorteile, die Krippenkinder durch Rituale erfahren?  
Gibt es in Ihrer Krippe Rituale, die den Kindern gezielt Geborgenheit vermitteln sollen?  
Führen Sie in der Krippe ein immer gleich bleibendes Ritual beim Verabschieden der Eltern durch?  
Sprechen Sie mit den Eltern in der Bringsituation kurz darüber, wie der bevorstehende Tag für das Kind aussieht?  
Sagen Sie dem Kind in der Bringsituation ganz deutlich, wenn Sie seine Eltern verabschieden?  
Bleiben Sie nach dem Weggehen der Eltern noch einige Zeit beim Kind, bis es ins Spiel gefunden hat?  
Gibt es Rituale, mit denen Sie neuen Kindern die Eingewöhnung erleichtern?  
Sind Sie auf Krankheitssituationen eingestellt, und setzen Sie im Krankheitsfall Rituale ein, die das Kind bis zum Eintreffen der Eltern beruhigen können?  
Begleiten Sie kranke Kinder in einem ruhigen Nebenraum bis zum Eintreffen der Eltern?  
Vermitteln Sie den Kindern in der Schlafenszeit einen immer gleichen Rhythmus?  
Steht den Kindern in Ihrer Einrichtung ein separater und ruhiger Schlafraum zur Verfügung?  
Hat jedes Kind in diesem Schlafraum sein eigenes Bett?  
Helfen Sie den Kindern, die Essenssituation mit Hilfe von Ritualen als etwas Angenehmes und Gemütliches zu begreifen?  
Sind in Ihrer Krippe die Essenstische mit Platzdeckchen und Blumenschmuck eingedeckt?  
Beginnen Sie die gemeinsame Essenssituation mit einem Kindergebet oder mit einem Lied?  
Sprechen Sie mit den Kindern zu Abschluss der Essenssituation darüber, wie ihnen das Essen geschmeckt hat?  
Feiern Sie Feste und Kindergeburtstage als besondere Höhepunkte, die die Kinder auch an ritualisierten Abläufen erkennen können?  
Setzen Sie sich mit den Kindern um eine festlich gedeckte Tafel?  
Haben Sie diese Tafel mit den Kindern gemeinsam verziert und dekoriert?  
Darf sich das Geburtstagskind mit einem besonderen Symbol schmücken, beispielsweise einer Geburtstagskrone oder einem Geburtstagshut?  

Auswertung:

20- bis 12-mal Ja: Herzlichen Glückwunsch! Sie haben in den Tagesablauf Ihrer Krippe viele Rituale integriert, die den Kindern Orientierung und Halt geben.

11- bis 3-mal Ja: Sie befinden sich auf einem guten Mittelweg. Einige Rituale wiederholen sich bereits. Dennoch könnten Sie gemeinsam mit Ihrem Team überlegen und festschreiben, welche Rituale Sie noch weiter ausbauen möchten beziehungsweise welche neuen Rituale den Kindern Ihrer Krippe hilfreich wären.

2- bis 0-mal Ja: In Ihrer Krippe gibt es noch wenig Rituale und Abläufe, an denen sich die Kinder orientieren können und die den Kindern Sicherheit vermitteln. Besprechen Sie gemeinsam mit Ihren Mitarbeiterinnen, welche Rituale Sie langfristig einführen möchten. Beginnen Sie jedoch langsam: Setzen Sie zunächst ein Ritual um, das leicht in den Tagesablauf einzubinden ist. Nutzen Sie dazu beispielsweise das Abschiedsritual. Erst, wenn dieses eine Ritual gut und sicher eingeführt ist, gehen Sie zum nächsten über.