Bevor ein Kind die Kita besucht, ist es meist gewöhnt, rund um die Uhr von den Eltern betreut zu werden. Daher ist der Übergang in eine fremde Umgebung oft mit Ängsten und Unsicherheiten verbunden. Auch das Vertrauen zu der neuen Bezugsperson im Kindergarten müssen die Kinder erst aufbauen. Hier ist es die Aufgabe von Erzieherinnen und Erziehern, einem Kind den Start in der Kita so einfach wie möglich zu gestalten. Bei der Eingewöhnung in die Kita kommt neben dem Berliner auch das Münchner Eingewöhnungsmodell zum Einsatz.
Für die Gestaltung der Übergangsphase von der Elternbetreuung in die Fremdbetreuung sind in Deutschland vor allem zwei Modelle sehr weit verbreitet. Das Berliner Modell gilt hinsichtlich der Eingewöhnung eines Kindes als lange erprobt und zielführend. Das Münchner Modell stellt das Kind noch mehr ins Zentrum. Beide Eingewöhnungsmodelle haben jedoch eine Sache gemein: Als unverzichtbare Voraussetzung für eine gelungene Eingewöhnung in die Kita wird die Anwesenheit der Eltern gesehen. Nur wenn das Kind die Sicherheit der Eltern spürt, kommt es in seinem neuen Umfeld an.
Das Berliner Modell bezieht sich auf die Bindungstheorie nach John Bowlby. Der bekannte Psychologe postulierte die Theorie, dass die Mutter-Kind-Bindung als Basis für späteres Bindungsverhalten zu sehen ist. Das bedeutet: Hat ein Kind in jungen Jahren keine vertrauensvolle Bindung zur eigenen Mutter, hat dies auch für spätere Beziehungen gravierende Folgen. Deshalb ist es aus dieser Sicht auch unverzichtbar, dass die Mutter oder der Vater die Eingewöhnung vom Kind in der Kita begleitet. Denn die Kinder müssen erst verstehen, dass die Trennung nur temporär ist und die Eltern am Nachmittag zum Abholen wiederkommen.
Einrichtungen, die sich für den Einsatz des Berliner Modells entscheiden, sollten alle Rahmenbedingungen der Eingewöhnung vorab mit den Eltern besprechen. In einem Gespräch geben die Pädagogen den Eltern nützliche Tipps für die Eingewöhnungsphase. Informieren Sie die Elternteile über den generellen Ablauf.
An dieser Stelle erhalten Erzieherinnen und Erzieher auch erste Auskünfte über das Kind. Wichtig ist es, zu kommunizieren, dass nur ein Elternteil die Eingewöhnung in die Kita begleiten sollte. Dies erleichtert den Eingewöhnungsprozess in den Kindergarten erheblich. Anschließend lässt sich das Gespräch nutzen, um die Erziehungsberechtigten über die verschiedenen Phasen der Eingewöhnung des Berliner Modells aufzuklären.
Die erste Phase steht ganz zu Beginn des Eingewöhnungsprozesses. Die Mutter oder der Vater kommt gemeinsam mit dem Kind für ein bis zwei Stunden in die Einrichtung. In der Regel findet der Besuch am Morgen statt. Dies ermöglicht dem Kind erste Einblicke in feststehende Rituale. Ein Beispiel: Findet die Eingewöhnung in die Kita immer am Morgen statt, haben die Kinder die Möglichkeit, erste einrichtungsinterne Gewohnheiten kennenzulernen. Dazu zählt beispielsweise ein gemeinschaftliches Frühstücken, ein Morgenkreis oder in religiösen Kindergärten das Beten.
Die bisherige Bezugsperson sollte darauf achten, nur mit dem eigenen Kind zu spielen. Zudem sollte sie weiterhin alle wichtigen Aufgaben übernehmen. Dazu zählt neben dem Wickeln auch das Füttern. Die Erzieherin oder der Erzieher übernimmt in dieser Phase eine zurückhaltende Rolle. Eine erste freundliche Kontaktaufnahme ist an dieser Stelle ratsam, allerdings sollte eine pädagogische Fachkraft das Kind zu Beginn auf keinen Fall überfordern. Das könnte die Eingewöhnungszeit unnötig verlängern.
Ein Praxistipp: Bitten Sie die Eltern, ihrem Zögling ein geliebtes Stofftier mitzugeben. Dieses dient während der Eingewöhnung als sogenanntes Übergangsobjekt. Sieht sich das Kind mit Unsicherheiten konfrontiert, kann es sich an dem Plüschbegleiter festhalten. Das schenkt Sicherheit und kann den Übergang in die ungewohnte Situation erleichtern. Vor allem in späteren Phasen, wenn sich die Elternzeit reduziert, kann dies sehr hilfreich sein. Dieser einfache Trick schenkt den Kindern bei der Eingewöhnung ein zusätzliches Gefühl von Sicherheit und Vertrautheit.
Die Kinder sollten ein paar Tage lang die Chance haben, in den Kita-Alltag zu schnuppern. Ungefähr ab dem vierten Tag sollte die Mutter oder der Vater beginnen, kurz den Raum zu verlassen. Reagieren die Jungen oder Mädchen auf den Trennungsversuch panisch, sollte die Bezugsperson nach nur wenigen Minuten zurückkommen. Schafft es eine Erzieherin oder ein Erzieher hingegen, das Kind zu beruhigen, lässt sich die Trennungsphase auf bis zu 30 Minuten ausdehnen. Die Bedürfnisse der Kinder entscheiden also darüber, wie lange der erste Abschied ausfällt.
Es ist die Verantwortung der pädagogischen Fachkraft, darauf zu achten, dass sich der Elternteil angemessen vom Kind verabschiedet. Denn ein Herausschleichen ist kontraproduktiv. Daher ist es sinnvoll, das Kind auf die bevorstehende Trennungsphase vorzubereiten. Bei panischen Jungen und Mädchen ist es ratsam, die Trennung auf kurze Zeit oft zu üben, bis sie keine Angst mehr empfinden. Anschließend lässt sich die Dauer Schritt für Schritt ausbauen.
Die Trennungsphase ist erfolgreich durchlaufen, wenn sich die Kinder nach kurzer Zeit von der Fachkraft des Kindergartens beruhigen lassen. Selbstverständlich werden manche Kleinkinder weiterhin bei jeder Trennung weinen. Die Jungen und Mädchen sollten ihre Emotionen offen ausleben dürfen. Entscheidend ist am Ende nur, ob das anschließende Beruhigen gelingt oder nicht.
In der Stabilisierungsphase, der Schlussphase, sollte dies auf jeden Fall kein Problem mehr darstellen. Die Bezugserzieherin ist akzeptiert und das Kind vertraut darauf, dass die Eltern wieder zurückkommen. Daher ist es auch nicht mehr notwendig, dass die Erziehungsberechtigten in der Einrichtung bleiben. Allerdings sollten sie weiterhin immer erreichbar sein. So können Erzieher im Kindergarten sie bei Rückfällen schnell informieren.
Das Münchner Modell achtet noch mehr als das Berliner Modell darauf, das Kind als Individuum ins Zentrum der Eingewöhnung in die Kita zu stellen. Das bedeutet, dass den Kindern noch mehr Zeit zur Eingewöhnung geschenkt wird. Der Prozess kann insgesamt vier bis fünf Wochen beanspruchen. Ziel ist eine behutsame Eingewöhnung, an deren Ende die Pädagogin oder der Pädagoge als neue Bezugsperson vom Kind akzeptiert wird.
Zu Beginn der Eingewöhnungszeit steht der enge Kontakt zwischen der Familie und den Erziehern. Das Münchner Modell ist recht zeitintensiv und aufwendig. Daher ist es ratsam, die Eltern über den Mehrwert der Vorgehensweise zu informieren. Außerdem nutzen Erzieher diese Phase, um erste Informationen über das Kind und dessen Bedürfnisse zu sammeln. Im Elterngespräch geht man auf den individuellen Stand des Bildungsbereichs und der Entwicklungsziele des Kindes ein und überlegt gemeinsam, welche Hürden es während der Eingewöhnungszeit zu meistern gibt. Diese enge Zusammenarbeit von Anfang an ermöglicht später eine optimale Betreuung.
Die Kennenlernphase erstreckt sich im Münchner Modell über eine ganze Woche. Hier geht man davon aus, dass Kleinkinder Rituale wiederholt beobachten müssen, um sie begreifen zu können. Im Wesentlichen ähnelt diese Phase stark der Grundphase des Berliner Modells. Der größte Unterschied ist hier die Dauer der Kennenlernphase. Über mehrere Tage durchläuft das Kind in Begleitung der Mutter oder des Vaters verschiedene Situationen.
Pädagogen halten sich auch im Münchner Modell in diesem Abschnitt eher zurück. Allerdings ist es wichtig, dass eine bestimmte Erzieherin oder ein bestimmter Erzieher verstärkt Präsenz zeigt. Ist diese Person beispielsweise beim Wickeln anwesend, begreift das Kind, dass die Anwesenheit für die Eltern in Ordnung ist. Später erleichtert dies den Übergang dahin, dass die pädagogische Fachkraft das Wickeln selbst übernimmt. Die Beziehung zwischen Erzieherin und Kind wird so subtil gestärkt.
Die Sicherheitsphase ist für die zweite Woche der Eingewöhnung in die Kita vorgesehen. Die Eltern beginnen sich langsam aus ihrer dominanten Rolle zurückzuziehen. Dies schenkt den Erziehern der Krippe Platz, damit sie erste Aufgaben übernehmen können. In diesem Abschnitt ist vor allem auch die Interaktion mit den anderen Gruppenmitgliedern von Relevanz.
Pädagogen sollten daher darauf achten, dass die bereits bestehende Gruppe das neue Kind nicht ausgrenzt. Gelingt dies, fühlen sich die Gruppenneulinge nach der zweiten Woche schon recht sicher in ihrem neuen Umfeld. Ein Trennungsversuch sollte in diesem Abschnitt noch nicht erfolgen. Vielmehr sollen die Kinder verstehen, dass die Kita ein Ort zum Spaßhaben und spielerischem Lernen ist.
Nach dem sachten Start steht in der dritten Woche eine erste Trennung des Kindes von der bisherigen Bezugsperson an. Diese sollte zwischen 30 und 60 Minuten dauern, unabhängig davon, ob sich das Kind beruhigt oder nicht. Verläuft die Trennungsphase erfolgreich, lässt sich die Zeit in den nächsten Tagen weiter ausbauen. Die Gewissheit, dass die Mutter oder der Vater immer wieder zurückkehren, stärkt das Vertrauen in die neue Umgebung.
Am Ende der Vertrautheitsphase sollten die Kinder nicht mehr panisch reagieren, wenn sich die Eltern aus der Kita zurückziehen. Die Erzieherinnen und Erzieher sind als neue Vertrauenspersonen akzeptiert. Einem erfolgreichen Tag in der Krippe oder im Kindergarten steht nichts mehr im Weg. Das Kind gilt als eingewöhnt, sobald sein Verhalten nach der Trennung von den Eltern nicht mehr auffällig ist.
Nicht nur nach der Vertrautheitsphase sollte ein abschließendes Gespräch mit den Eltern gesucht werden. Es bietet sich an, während des gesamten Prozesses immer wieder Elterngespräche zu suchen. So lässt sich der aktuelle Stand des Kindes evaluieren und besprechen, wie mit auffälligen Kindern am besten umgegangen wird. Denn nicht jedes Kind ist wirklich schon bereit für die Trennung von den Eltern.
Deshalb ist es sinnvoll, während jeder Phase auf die Bedürfnisse der Jungen und Mädchen zu achten. Lässt sich ein Kind auch nach durchlaufenem Eingewöhnungsprozess nicht von den Pädagogen beruhigen, ist es womöglich noch nicht bereit für die Trennung von den Eltern. In diesem Fall sollte der Einstieg in die Kita vertagt werden, um das Kind nicht zu überfordern. Das Münchner Modell stellt so sicher, dass jedes Gruppenmitglied in seinem eigenen Tempo ins Kita-Leben starten kann.
Auch wenn es unterschiedliche Eingewöhnungsmodelle gibt, ist doch jede Eingewöhnung in die Kita individuell. Während es den einen Kindern leichtfällt, schon nach wenigen Wochen von den Eltern getrennt zu werden, tun sich andere Kinder mitunter lange schwer. Das hängt nicht nur vom Alter der Kinder ab, sondern auch von zahlreichen anderen äußeren Umständen. Dass jedes Kind ein Individuum ist, sollte bei der Eingewöhnung stets an erster Stelle stehen.
Die wichtigsten Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Münchner und Berliner Modells finden Sie hier noch einmal auf einen Blick in der Tabelle:
Berliner Modell | Münchner Modell | |
Phasen der Eingewöhnung | 3 Phasen (Grundphase, Trennungsphase, Stabilisierungsphase) | 5 Phasen (Vorbereitung, Kennenlernen, Sicherheitsphase, Vertrautheitsphase, Reflexionsphase) |
Dauer | Individuell vom Kind abhängig | Individuell vom Kind abhängig |
Stärken | 1. Zuverlässig und erprobt 2. Guter Überblick durch klar definierte Phasen | 1. Kindzentrierte Eingewöhnung 2. Stetige Elterninformation: Feedbackgespräche mit den Eltern |
Schwächen | Bei Teilzeit-Kindern (2 bis 3 Tage pro Woche in der Kita) dauert die Eingewöhnung deutlich länger | Zeitintensiv, besonders für berufstätige Eltern eine Herausforderung |
Autor: Redaktion Pro Kita-Portal (2020)